Übergang Schule-Hochschule
Ich habe kürzlich angerissen (“Was ist mit der Jugend los?”), dass seit geraumer Zeit in der mathematischen Community ein gesellschaftliches Thema regelmäßig aufkocht und heiß debattiert wird: der Übergang Schule-Hochschule. Dabei geht es aus Sicht der Hochschulen um die Beobachtung, dass Studienanfänger Jahr für Jahr mit immer schwächeren Mathematikkenntnissen und -fähigkeiten an die Universitäten kommen.
Wie in obigem Artikel erwähnt, gibt es dann wahlweise Vorschläge, wie das Schulsystem oder die Lehrerausbildung zu verbessern sind, oder Forderungen an die Hochschulen, ihre Studenten da abzuholen wo sie nun mal stehen. So in etwa verlaufen die Gräben, und so in etwa wird über dieses Thema in der Öffentlichkeit gesprochen.
Dazu kommen noch Stimmen, die (in meinen Augen zurecht) eine zu hohe Abiturquote (also der Anteil der Schüler eines Jahrgangs, die ihre Schullaufbahn mit einem Abitur abschließen) und eine zu hohe Studierquote (also der Anteil der jungen Menschen eines Jahrgangs, die an eine Hochschule gehen) kritisieren. Gleichzeitig hat das Handwerk große Schwierigkeiten, seine Ausbildungsplätze zu besetzen. Diese Aussagen über Quoten sind statistischer Natur. Sie sagen selbstverständlich nichts über einzelne Menschen aus.
Herausforderungen
Das Problem an den oben genannten Argumenten und verschiedenen Sichtweisen ist, dass ein Standpunkt dabei nicht eingenommen wird: der, der betroffenen Studienanfänger! Die abstrakte Zeitungsschlagzeile vom “schwierigen Übergang Schule-Hochschule” betrifft eben jene einzelnen Menschen ganz konkret. Wenn man aber ihren Standpunkt einnimmt, offenbaren sich gigantische Herausforderungen:
Wir reden von jungen Menschen, denen in ihrem bisherigen Leben praktisch nicht zugetraut wurde, Verantwortung für den eigenen Bildungsweg zu übernehmen. Von ihnen wurde verlangt und erwartet, dass sie Pläne aller Art erfüllen, aber nie, dass sie ihren Weg selbst gestalten. Wer zweifelt, dem möchte ich folgenden Test empfehlen: wie oft durfte die Frage “Wo, wann, mit wem, womit, von wem, wie und wofür lerne ich was, und was nicht?” offen gestellt werden? Und was hing von den Antworten ab?
Wir reden von jungen Menschen, die in Bildungsangelegenheiten vielleicht noch nie auch nur eins ihrer Grundbedürfnisse (Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz) befriedigen konnten. Oder schlimmer noch, mussten sie diese Bedürfnisse unterdrücken, um zu funktionieren. Ich habe oft erlebt, dass Studenten ihre individuellen Bedürfnisse nicht wahrgenommen oder nicht artikuliert haben.
Wir reden bei Hochschulen von Institutionen, in denen Kommunikation weit überwiegend in eine Richtung stattfindet: von den Professoren, Dozenten und Mitarbeitern hin zu den Studenten, immer dem vermeintlichen Bildungsgefälle nach. Hier die schlauen, gebildeten “Lehrer”, da die dummen und faulen “Schüler”. Und natürlich wissen erstere ganz genau, was für letztere das Beste™ ist. Aber hier gibt es noch ein weiteres Problem: es gibt in der gelebten Praxis kein Lehrformat, in dem das Lehrpersonal hört, wie die Studenten über den Stoff oder über die Übungsaufgaben reden, so holprig das auch sein möge. So erhalten Professor und Mitarbeiter kein Feedback, womit sich die Masse der Studenten schwer tut und was leicht ging, so werden fachliche Missverständnisse nicht erkannt, und auf der anderen Seite erhalten Studenten wiederum kein Feedback und wissen/verstehen nicht, was sie nicht verstehen.
Aufgrund der einseitigen Kommunikation gibt es auch praktisch keinen Raum für die Verschiedenheit der Studenten: vom Charakter, vom Lern- oder Neurotypus, vom Vorwissen, von der Motivation, vom sozialen Verhalten. Es gibt solche, die lieber alleine lernen, und andere, die in Gruppen aufblühen. Es gibt solche, die können Informationen aus Formeln lesen und “aufsaugen”, anderen gelingt das besser aus der Intution, aus Analogien, oder aus Bildern und Veranschaulichungen. Es gibt Menschen, die nehmen Informationen bevorzugt über Bild und Schrift auf, anderen gelingt das viel besser über das gesprochene, gehörte Wort. Manch einer hat seine Matura in Österreich gemacht, andere kommen über den zweiten Bildungsweg und wieder andere haben nur ein bayerisches Abitur.1 :-P Wie sich das bei jedem einzelnen verhält, kann niemand besser sagen als die betroffenen Menschen selbst. Dafür müssten sie sprechen, und dafür müssten sie gehört werden.
Ein Teufelskreis
Menschen, die für sich, ihr Leben und ihren Bildungsweg keine Eigenverantwortung übernehmen und nicht artikulieren können, welche Bedürfnisse oder welchen Unterstützungsbedarf sie haben, geraten notgedrungen in eine Haltung der (erlernten!) Hilflosigkeit und des Konsums (Stichwort: Musterlösungen und Probeklausuren).2
Das verstärkt auf der Gegenseite den Eindruck, man hätte es mit Menschen zu tun, die man wie kleine Kinder bevormunden und entmündigen kann und die einer wohlmeinenden klaren Anleitung bedürfen: Notenboni, Pflichthausaufgaben, umfangreiche verpflichtende Studienpläne und permanente Rechenschaftspflicht. Und obendrauf gibt es schon während des ersten Studienjahres verpflichtende Prüfungen, bei denen es um die studentische Existenz geht, also buchstäblich um Studenten-Leben und -Tod. Willkommen, Prüfungsstress, Minderwertigkeitsgefühle und Depression!
Die gerade genannten Vorschriften sind wiederum Maßnahmen, die absolut ungeeignet sind, Menschen in die Eigenverantwortung und in die freudvolle Gestaltung ihres Bildungsprozesses zu begleiten, oder sie zu mündigen Bürgern und Mitgliedern unserer Gesellschaft zu machen. Und so schließt sich der Kreis, um nicht zu sagen, so dreht sich die Abwärtsspirale. Wie auch immer, gigantische Herausforderungen sind dafür da, angegangen und überwunden zu werden.
Mein Angebot
Für das kommende Semester biete ich eine semesterbegleitende, professionelle Studienbegleitung für interessierte Studenten in mathematischen, technischen oder naturwissenschaftlichen Studiengängen an. Warum diese Studiengänge? Weil mathematische Vorlesungen einen wesentlichen Teil des Studiums einnehmen, und ich hier fachlich hervorragend unterstützen kann. Darüber hinaus möchte ich — bei Bedarf und Interesse — den oben genannten vier Problemen entgegenwirken:
Ich möchte Studenten dabei unterstützen, Verantwortung für sich und ihren Bildungsweg zu übernehmen und diesen Weg maximal nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Ich möchte Studenten die Möglichkeit geben, eigene Bildungsbedürfnisse zu erkennen und auszusprechen, und für diese einzustehen. Wir sind zwar nicht allein auf dieser Welt und können stets machen, was wir wollen. Aber wir sind auch nicht Niemand!
Ich möchte Studenten einen Raum bieten, wo sie sich sowohl zu fachlichen als auch persönlichen Angelegenheiten äußern und Rat suchen können. Auf welche Schwierigkeiten, z.B. bezüglich Lern-Inhalt, oder Lern-Methode, Lern-Motivation oder mentalem Wohlbefinden, treffen sie? Ich möchte einen beschämungsfreien Rahmen bieten, in dem auch “absolute Anfänger” über ihre Wissenschaft sprechen können. So erfahren Studenten, was sie bereits verstehen und was noch nicht.
Falls nötig können alternative Zugänge zum Stoff ausprobiert werden, damit jeder auf die zu ihm passende Art lernen kann. Es gibt so vielfältige Ressourcen, die man auf ihre Tauglichkeit für einen selbst prüfen und dann nutzen kann.
Wer mich kennt weiß, dass ich mich schon länger diesen Dingen mit aller Kraft und allem Nachdruck widme. Im Zentrum stehen stets die Bedürfnisse und die Potentialentfaltung der begleiteten Studenten.
Sich für das Studium Unterstützung zu holen ist kein Zeichen der Schwäche, sondern ein Zeichen der Selbsterkenntnis, ein Zeichen des “ich und das Studium sind es mir wert”.
An Euch Studenten da draußen: egal, ob alleine oder in einer kleinen Lerngruppe, ob in Präsenz oder online, ob eher mit Schwerpunkt Nachhilfe oder Förderung, ob auf Deutsch, Englisch, Russisch oder durcheinander, ich freue mich darauf, Euch kennen zu lernen und Euch ein Stück Eures Bildungsweges zu begleiten. Mehr Informationen und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme findet Ihr auf meiner Homepage unter potentialentfaltung-mit-daniel.de.
Dieser Post darf und soll natürlich gerne mit möglicherweise interessierten Menschen geteilt werden. Vielen Dank!
Das ist ein Insider-Witz, keine Beleidigung.
Wohlgemerkt: der (Hilfe-)Schrei nach Musterlösungen und Probeklausuren ist keine Artikulation von Bedürfnissen. Das Grundbedürfnis nach Kompetenz ist das zutiefst menschliche Bedürfnis danach, Probleme und Herausforderungen selbst zu lösen, auch wenn dafür eine gewisse Unterstützung erforderlich sein sollte.